Stellungnahmen

Berlin, 16.06.2023

50 Akteur*innen aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft fordern gemeinsam:
Haltung zeigen gegenüber Kindern, Jugendlichen und Familien, die Armut erfahren

In der Gesellschaft herrschen immer noch pauschale Vorurteile gegenüber Familien, die Armut erfahren. Diese werden weiter über die Medienlandschaft zementiert. 50 Organisationen und Einzelpersonen sehen sich daher dazu verpflichtet, mit dieser Voreingenommenheit aufzuräumen. Auf dem Treffen des Ratschlag Kinderarmut am 16.Juni 2023 rufen sie deshalb gemeinsam mit einem Appell dazu auf, Haltung zu zeigen und sich unterstützend hinter armutsbetroffene Kinder, Jugendliche und ihre Familien zu stellen.

Im Appell „Haltung zeigen gegenüber Kindern, Jugendlichen und Familien: Menschen in Armutslagen vorurteilsfrei begegnen!“ des Ratschlag Kinderarmut heißt es: „Wir fordern, die Ursachen von Armut vorurteilsfrei in den Blick zu nehmen, um Kinderarmut nachhaltig zu bekämpfen! Betroffene Familien kämpfen mit schlechten Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt wie niedrigen Löhnen und prekären Beschäftigungsverhältnissen. Dazu kommt eine oft mangelhafte Vereinbarkeit von Familie und Beruf und eine Kinderbetreuung, die tatsächliche Bedarfe nicht abdeckt. Lebensereignisse wie Arbeitslosigkeit, Trennung, Krankheit, Migration und Flucht steigern das Armutsrisiko erheblich. Die Konsequenz: Nicht jedes Kind startet mit den gleichen Grundvoraussetzungen ins Leben – die Chancen sind extrem ungleich verteilt. Statistisch betrachtet überdauert Armut in Deutschland aktuell sechs Generationen. Das heißt umgekehrt, dass trotz größter eigener Bemühungen fünf Generationen aus eigener Kraft nicht den Aufstieg in die Mitte der Gesellschaft schaffen.

Armut ist kein individuelles Versagen, sondern ein strukturelles Problem!

In der aktuellen Diskussion um eine Kindergrundsicherung nehmen wir die von manchen Medien und politischen Entscheidungsträger*innen gezeichneten Bilder von Misstrauen als höchst problematisch wahr. Vorurteile gegenüber einkommensarmen Eltern, sie würden die für ihre Kinder gedachten Geldleistungen für Alkohol, Tabak und elektronische Konsumgüter zweckentfremden, sind schlicht falsch. Sie verzerren den Blick auf die tatsächlichen Belastungen in prekären Lebenslagen sowie die gravierenden Folgen von Armut. Studien für Deutschland belegen dahingegen, dass Eltern aus einkommensschwachen Familien eher bei sich selbst als bei ihren Kindern sparen und in Relation zum verfügbaren Einkommen genauso viel Geld für die Bildung ihrer Kinder verwenden wie einkommensstärkere Eltern. Es sind diese stigmatisierenden Denkweisen, falschen Armutsbilder und irreführenden Informationen, die dringend notwendige politische Reformen und Lösungen verhindern.

Von Armut betroffene Kinder, Jugendliche und ihre Familien brauchen Solidarität, Wertschätzung, Unterstützung und Chancengerechtigkeit.“

Gemeinsamer Appell des Ratschlags Kinderarmut – Juni 2023

Den Appell haben unterzeichnet:
Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e.V.
Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes NRW
Arbeitslosenverband Deutschland Landesverband Brandenburg e. V.
Armut und Gesundheit in Deutschland e. V.
AWO Bundesverband e. V.
AWO Bezirksverband Niederrhein e. V.
Bundesforum Männer – Interessenverband für Jungen, Männer und Väter e. V.
Bundesjugendwerk der AWO e. V.
Bundesverband der Familienzentren e. V.
Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V. (BVKJ)
Bundesverband der Mütterzentren e.V.
Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung
Der Kinderschutzbund Bundesverband e. V.
Der Kinderschutzbund Landesverband Rheinland-Pfalz e. V.
Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e. V.
Deutscher Bundesjugendring e. V.
Deutscher Caritasverband e. V.
Deutsches Kinderhilfswerk e. V.
DGSF – Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung & Familientherapie e. V
Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V.
DIE LINKE. Stadtverband Kaiserslautern
Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e. V.
Erwerbslosengruppe ver.di Mittelbaden-Nordschwarzwald
evangelische arbeitsgemeinschaft familie e. V.
Evangelischer Bundesfachverband Existenzsicherung und Teilhabe e. V. (EBET)
Familienbund der Katholiken – Bundesverband
Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V.
Internationaler Bund (IB) e. V.
KINDERVEREINIGUNG e. V.
Landesarmutskonferenz Rheinland-Pfalz
Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen
e. V.
Gemeinsamer Appell des Ratschlags Kinderarmut – Juni 2023
Nationale Armutskonferenz
National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention
Nestwärme e. V. Deutschland
PEKiP e. V.
Präventionsketten Niedersachsen: Gesund aufwachsen für alle Kinder!
Save the Children Deutschland e. V.
Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e. V.
SOS-Kinderdorf e.V.
SoVD Sozialverband Deutschland e. V.
Stiftung SPI
Verband alleinerziehender Mütter und Väter e. V.
Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e. V.
Volkssolidarität Bundesverband e. V.
Zukunftsforum Familie e. V.

Darüber hinaus wird der Appell mitgetragen von:
Dr. Irene Becker – Empirische Verteilungsforschung, Riedstadt
Gerda Holz – Politikwissenschaftlerin und Sozialarbeiterin, Frankfurt am Main
Dr. Maksim Hübenthal – FU Berlin
Dr. Gisela Notz – Sozialwissenschaftlerin und Historikerin, Berlin


Jedes fünfte Kind in Deutschland wächst in Armut auf: Breites Bündnis fordert mehr Geld für die Bekämpfung von Kinderarmut

Berlin, 15.11.2022 – Verbände, Gewerkschaften, zivilgesellschaftliche Organisationen und namhafte Unterstützer*innen fordern die Bundespolitik dazu auf, Kinderarmut entschieden zu bekämpfen und die dafür notwendigen Mittel im Bundeshaushalt zur Verfügung zu stellen. Dabei müssen soziale Infrastruktur und monetäre Leistungen ineinandergreifen.

Die unterzeichnenden Organisationen des Ratschlag Kinderarmut fordern in ihrer gemeinsamen Erklärung „Solidarität mit armutsbetroffenen Kindern, Jugendlichen und ihren Familien – besonders in der Inflationskrise!“, Armutslagen von jungen Menschen nicht länger hinzunehmen, sondern endlich das nötige Geld in die Hand zu nehmen, um ihnen ein gutes Aufwachsen  zu ermöglichen.

In unserem reichen Land ist inzwischen mehr als jedes fünfte Kind von Armut betroffen. Konkret bedeutet das für die betroffenen Kinder und Jugendlichen nicht nur eine unzureichende Versorgung mit Gütern des alltäglichen Bedarfs, sondern auch geringere Bildungschancen und weniger Möglichkeiten zur sozialen Teilhabe. Nachdem sich diese Problemlagen durch die Corona-Pandemie verschärft haben, drohen nun mit den aktuellen Preissteigerungen zusätzliche Einschränkungen im Alltag, besonders für Familien mit geringen Einkommen.

In der Erklärung fordern die unterzeichnenden Organisationen die Politik daher dazu auf, die Interessen und Bedarfe von Kindern und Jugendlichen endlich in den Mittelpunkt zu rücken und die dafür notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen. Gerade angesichts der steigenden Preise, die für viele Privathaushalte und soziale Einrichtungen schwer zu stemmen sind, darf jetzt nicht am falschen Ende gespart werden. Es ist unsere Aufgabe, die Lebensgrundlage und die Ansprüche von Kindern und Jugendlichen zu sichern!

Die gemeinsame Erklärung basiert auf dem Wissen, dass für eine erfolgreiche Armutsbekämpfung monetäre Leistungen und Investitionen in die Infrastruktur nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Für ein Aufwachsen in Wohlergehen benötigen Kinder und Jugendliche beides: eine auskömmliche finanzielle Absicherung und eine gut ausgebaute soziale Infrastruktur, durch die alle Kinder und Jugendlichen dazu befähigt werden, ihre Potenziale und Talente zu entwickeln.

Ratschlag Kinderarmut 2022_gemeinsame Erklärung_Solidarität in der Krise